Hanky und der Mächtige
Nur knapp haben Hanky und seine Freunde den Kampf gegen ein uraltes Wesen überlebt, das die mordend durch die Welt streifte. Jetzt hätten sie eigentlich ein wenig Ruhe verdient. Doch kaum ein Jahr nach den Ereignissen, die einige von ihnen geheimnisvoll verändert haben, bekommt Hanky einen seltsamen Brief von dem FBI Agenten Roger Thorn. Roger ist auf finstere Machenschaften einer Organisation gestoßen, die sich "Gruppe Phönix", nennt. Die Verschwörung reicht bis in höchste Regierungskreise. Sehr bald begreifen Hanky und seine Mitstreiter, dass sie es mit einem Gegner zu tun haben, der ihren Ersten weit in den Schatten stellt ...
Textauszug
Sie erwachte mit fürchterlichen Kopfschmerzen. Noch nie hatte
sie so grauenhafte Schmerzen erlebt. Sie versuchte sich im Bett
umzudrehen, doch ihr Körper gehorchte ihr nicht. Vorsichtig
öffnete sie die Augen, um sie sogleich geblendet wieder zu
schließen. Die Schmerzen schienen sich noch zu steigern, aber
sie versuchte es erneut. Ihre gepeinigten Sehnerven leiteten nur
das Bild einiger Neonröhren an das Gehirn weiter, die an einer
unverputzten Betondecke befestigt waren. Vor Schmerz und
Erschöpfung schloss sie die Augen. Bunte Kreise flimmerten vor
den Pupillen, und Übelkeit breitete sich in ihr aus. Eine Frage,
die entscheidende Frage formulierte sich in ihrem Geist: Wo war
sie? Auch nach längerem Überlegen fand sie keine befriedigende
Antwort. Das Letzte, an das sie sich erinnerte, war, dass sie sich auf
dem Nachhauseweg befunden hatte. So wie an jedem Wochentag.
Erst mit dem Bus bis in die Vorstadt und dann zu Fuß eine weitere
halbe Stunde durch ihr Viertel. Alles war wie immer gewesen, oder
etwa nicht? Hatte sie einen Unfall erlitten und war nun in einem
Krankenhaus? Nein, das konnte nicht sein. Ein Krankenhaus
mit einer rohen Betondecke gab es nicht in ihrer Gegend, und sie
bezweifelte, dass es ein solches Krankenhaus überhaupt irgendwo
in Mexico gab. War das überhaupt ihre Heimatstadt Juárez? Hier
in dieser Millionenstadt, am Rio Grande gelegen und damit direkt
an der Grenze zu den USA, hatte sie ihr ganzes Leben verbracht.
Oft hatte sie an der Grenze gestanden und hinüber nach El Paso
geschaut, wo sie doch so gern leben würde.
Eine weitere Schmerzwelle unterbrach ihre abschweifenden
Gedanken. Farbige Nebel schienen ihren ganzen Gesichtskreis
auszufüllen. In ihrem Schädel tobte ein Sturm der Qual, als
würden Tausende Nadeln zugleich auf sie einstechen. Nach
einer Weile – sie konnte nicht einschätzen, wie lang die Pein
dauerte – ebbten die Schmerzen wieder ab. Sie begann erneut
nachzudenken. Wenn das kein Krankenhaus war, was dann?
Auf einmal erinnerte sie sich an die vielen vermissten Frauen.
Seit vielen Jahren verschwanden beinahe täglich Frauen
und Mädchen aus ihrer Stadt spurlos, und niemand schien
sich darum zu kümmern. Waren es Tausende oder gar schon
Zehntausende, die verschwunden waren? Sie konnte sich nicht
daran erinnern. War sie einfach nur ein weiteres Opfer? Anfangs
hatten die Medien noch darüber spekuliert, dass die Polizei in
die Entführungen involviert sei, doch das konnte nie bewiesen
werden. Befand sie sich in den Händen dieser unbekannten
Entführer? Was wollten diese Leute von ihr? Weshalb hatte sie
solche Schmerzen? Was stellte man mit ihr an? Panik drohte ihr
Bewusstsein davonzuschwemmen. Mühsam öffnete sie erneut
die Augen. Wieder sah sie nur die Deckenlampen. Sie versuchte
noch einmal, sich zur Seite zu drehen, aber auch dieser Versuch
scheiterte. Alles, was sie bewegen konnte, waren ihre Augen.
Angestrengt schielte sie nach links und konnte aus den Augenwinkeln
unscharf eine Art Krankenbett ausmachen. Darauf lag
eine nackte Frau. Aus ihrer Stirn führten mehrere Kabel und
Schläuche zu einem Kasten. Einige kleine Lichter blinkten an
seiner Vorderseite. Erschrocken schloss sie die Augen wieder.
Was war das nur? War dies doch ein Krankenhaus? Es war also
zumindest eine weitere Person in diesem Raum. Oder waren
es noch mehr? Sie öffnete die Augen und rollte ihre Pupillen
zur anderen Seite. Hier bot sich das gleiche Bild. Auch dort lag
eine Frau nackt auf einem Bett, und auch aus ihrer Stirn ragten
Kabel und Schläuche und verschwanden in einem Kasten. Sie
schaute zu den Lampen an der Decke. Soweit sie sehen konnte,
zogen sie sich in langen Reihen an der Decke entlang. Der Raum
musste riesig sein. Voller Angst ließ sie ihre Augen nach oben
wandern, um herauszufinden, ob auch aus ihrem eigenen Kopf
Kabel und Schläuche ragten. Doch noch ehe sie etwas erkennen
konnte, kam der Schmerz zurück, so heftig diesmal, dass sie in
eine erlösende Ohnmacht versank.
***